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30.4.2015

“Prävention und Gesundheitsförderung als Mittelpunkt einer aktivierenden Politik”

Seniorenpolitische Impulse und Weichenstellungen aus Hessen – ein Interview mit Sozialminister Stefan Grüttner

Seit Sommer 2010 verantwortet Stefan Grüttner als Hessischer Sozialminister auch die Politik für Seniorinnen und Senioren. Wir haben den CDU-Politiker zu seinen senioren- und gesundheitspolitischen Initiativen und Zielen befragt.
Ein Jahr nach Ihrem Amtsantritt als Hessischer Sozialminister startete die Hessische Landesregierung 2011 die Seniorenpolitische Initiative. Warum war eine solche themenübergreifende Initiative notwendig?
Die Hessische Landesregierung hat im Sommer 2011 die Seniorenpolitische Initiative gestartet, um vor dem Hintergrund des demografischen Wandels die Lebenssituation älterer Menschen zu analysieren und neue Handlungskonzepte und -optionen zu entwickeln. Wir möchten mit der Initiative die Erfahrungen und Potenziale älterer Menschen stärker in den Blick nehmen, sie dabei unterstützen, ihre Erfahrungen und Fähigkeiten bis ins hohe Alter einzusetzen. Wir wollen auch Rahmenbedingungen schaffen, die es Seniorinnen und Senioren erlauben, so lange wie möglich ihr Leben selbstbestimmt, eigenständig und aktiv zu gestalten. Ziel der Initiative ist zudem, Impulse für neue Konzepte zu geben und gesellschaftspolitische Akteure zu ermutigen, sich verstärkt mit den Veränderungen unserer Gesellschaft auseinander zu setzen.

Gesundheitliche Prävention ist eines der Schwerpunktthemen der hessischen Seniorenpolitik. Inwieweit kann Hessen Vorbild auch für andere Bundesländer sein?
Eine zentrale Voraussetzung für ein selbstständiges, aktives und erfülltes Leben im Alter ist eine gute gesundheitliche Versorgung. Prävention und Gesundheitsversorgung müssen daher im Mittelpunkt einer aktivierenden und vorsorgenden Politik für ältere Menschen stehen. Bewegung hat dabei eine zentrale Bedeutung, denn sie beugt der im Alter steigenden Gefahr von degenerativen Krankheiten und Veränderungen des Bewegungsapparates vor. Daher haben wir in Hessen ein Modellprojekt zur Bewegungsförderung initiiert und damit einmalig in Deutschland Bewegungsparcours gefördert, die inzwischen in vielen hessischen Kommunen etabliert sind.
In Hessen sind wir zudem mit dem Gesundheitspakt sehr gut aufgestellt. Die Zusammenarbeit der Gesundheits- und Pflegeberufe ist dabei ebenso wichtig wie die Stärkung der haus- und fachärztlichen Versorgung, insbesondere auf dem Land. Denn in einer älter werdenden Gesellschaft ist die adäquate Versorgung von chronisch und mehrfach Erkrankten eine der wichtigsten Aufgaben. Wir haben hier in Hessen mit den Partnern bereits die Weichen gestellt.

Als Volkswirt setzen Sie sich auch für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Pflege ein. Was kann Politik, was können Unternehmen aus Ihrer Sicht noch besser machen?
Die demografische Entwicklung geht einher mit einem wachsenden Bedarf an Fachkräften und zugleich einer steigenden Zahl Pflegebedürftiger und damit auch Pflegender. In Hessen werden mehr als Dreiviertel pflegebedürftigen Menschen zu Hause, in der Regel von Angehörigen, betreut. Viele derjenigen, die pflegen, sind zugleich berufstätig. Es gilt also, pflegende Angehörige stärker zu unterstützen und sie zugleich als Fachkräfte in den Betrieben zu halten. Wir haben mit der hessischen Wirtschaft die Initiative für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familien ergriffen. Unser Ziel ist, für das Thema Pflege zu sensibilisieren und Lösungen zu finden, die pflegenden Mitarbeitern und Arbeitgebern gleichermaßen gerecht werden. Gemeinsam mit der hessischen Wirtschaft haben wir die Charta zur Vereinbarkeit von Beruf und Pflege ins Leben gerufen, die bundesweit einmalig ist und der bereits nach kurzer Zeit mehr als 50 Arbeitgeber beigetreten sind. In diesem Sommer wird es eine weitere Beitrittswelle zur Charta geben. Anfragen von Unternehmen außerhalb Hessens liegen uns bereits vor.

Welche seniorenpolitischen Themenfelder sind in Ihren Augen bisher noch zu kurz gekommen? Wo bedarf es noch mehr Wissen und wo mehr politisches Handeln?
Ich möchte hier insbesondere zwei Bereiche aufgreifen, denen wir zukünftig unser besonderes Augenmerk widmen werden. Mit der steigenden Zahl älterer Menschen steigt auch die Zahl der Demenzkranken. Bis zu 1,4 Mio. Menschen in Deutschland sind heute bereits an Demenz erkrankt. Es gibt bereits eine Reihe von Maßnahmen zur Versorgung und zur Unterstützung pflegender Angehöriger. Um der Herausforderung Demenz gerecht zu werden, sind jedoch auch neue Wege erforderlich, die von Beratungsangeboten über ärztliche Versorgung bis hin zu sensiblen Nachbarschaften, ehrenamtlichen Unterstützungsangeboten und der Schulung von Verwaltung usw. reichen. Zweitens ist es entscheidend, dass sich jeder Mensch als Teil der Gesellschaft sieht und Verantwortung übernimmt. Das Miteinander wird zukünftig wichtiger denn je.

Ihr Ministerium unterstützt die Ausrichtung des 11. Deutschen Seniorentages. Welche Impulse können von der Veranstaltung auch für Hessen ausgehen?
Hier können wir all die wichtigen Themen – wie selbstständiges Leben im Alter, Wohnen im Alter, Vereinbarkeit von Beruf und Pflege, generationenübergreifende Hilfen, Fragen der Betreuung, des Umgangs mit Demenz und auch der stärkeren Beteiligung älterer Migranten an bestehenden Angeboten – in das öffentliche Bewusstsein rücken und ganz konkret auch Hilfestellung geben. Die Hessische Landesregierung unterstützt daher gern den Deutschen Seniorentag. Ich als Hesse freue mich ganz besonders, dass der Deutsche Seniorentag in diesem Jahr in Frankfurt stattfindet und ich bin sicher, dass besonders viele hessische Mitbürgerinnen und Mitbürger die Gelegenheit nutzen werden, teilzunehmen.

Herr Minister Grüttner, wir danken Ihnen für das Interview.
 

(Quelle: Experteninterview mit dem hessischen Sozialminister Stefan Grüttner für den 4. BAGSO-Newsletter „Seniorenpolitik“ zum 11. Deutschen Seniorentag vom 2. bis 4. Juli 12015 in Frankfurt am Main)