Digitale Lösungen

Im Bereich der digitalen Mittel zur Vereinbarkeit von Beruf und Pflege fällt uns direkt eine Teilung des Einsatzbereiches auf: Dieser Bereich lässt sich in das Feld der beruflich-professionellen und in das Feld der privaten, ambulanten Pflege von Angehörigen gliedern.

Viele der zur Verfügung stehenden Lösungen sind für beide Pflegesituationen entwickelt worden. Im bisherigen Stand von Forschung und Praxis lässt sich die Gesamtheit zweiteilig einordnen in einerseits etablierte und marktreife Lösungen; andererseits in potenzielle, noch in Erprobung befindliche Lösungen.

Sämtliche Lösungen, ob bereits auf dem Markt oder in der Entwicklung, finden sich in zwei gängigen Sammelbegriffen der digital gestützten Pflege wieder:
Digitale Pflegeanwendungen (Abk.: DiPa) schließen einerseits die vordergründige Nutzung von Apps oder speziell konzipierter Software ein; demgegenüber werden unter technischen Assistenzsystemen oder auch Ambient Assisted Living (Abk.: AAL) jegliche Tools eingeordnet, die eine räumliche Ausstattung inkludieren und somit stärker auf den häuslichen, privaten Bereich abzielen.

 

Digitale Pflegeanwendungen (DiPa)

Digitale Pflegeanwendungen umfassen die Nutzung von Apps oder speziell konzipierter Software, um Pflegeaktivitäten auf digitalem Weg unterstützen und erleichtern zu können. Sie können über eigene Geräte (Smartphone, Tablet oder Desktop) oder über hierfür entwickelte Endgeräte gesteuert werden. So werden digitale Pflegeanwendungen genutzt, um patientenbezogene Daten über Sensoren zu messen und aufzubereiten. Somit werden etwa Unregelmäßigkeiten, Verletzungen oder gar Notfälle erkannt und entsprechende Maßnahmen für pflegebedürftige Personen ergriffen.

Beispiele für Digitale Pflegeanwendungen

  • intuitive und benutzerfreundliche Smart Devices – Seniorentablets oder Dockingsysteme für vorgelagerte Endgeräte, die von technischem Support und geschultem Kundenservice begleitet werden
  • für Pflegebedürftige ausgelegte audiovisuelle Geräte VR-Brillen für Seniorinnen und Senioren, die Fotos und Erlebnisse digital rekonstruieren oder intelligente Lautsprecher mit Steuerung über eine App oder per Sprachbefehl
  • appgebundene, intelligente Haushaltsgeräte – intelligente Trinkbecher mit Erinnerungs- und Protokollfunktion; intelligente Matratze mit Feuchtigkeitsmessung, die Schlaf- und Bewegungsverhalten erfasst
  • körperanliegende Sensoren – sie messen Schlaf-, Bewegungs- und Stoffwechselverhalten von Patientinnen und Patienten und benachrichtigen Pflegeangehörige per App oder Desktopanwendung
  • Apps mit Pflegecoaches – sie werden häufig von Krankenkassen angeboten, für pflegende Angehörige ausgelegt und bieten umfassende Angebote an Kursen, Coachings, Unterstützung von Expertinnen bzw. Experten und psychologische Beratung an

Ein Bild einer älteren Person, die eine Virtual Reality-Brille trägt. Die Person sieht einen Garten.

Beispiel für digitale Pflegeanwendungen: VR-Brille für Senioren mit digitaler Rekonstruktion © Granny Vision GmbH

Ein Foto einer Dockingstation für Tablets.

Beispiel: Dockingstation für Tablets © Enna Care

 

Technische Assistenzsysteme (AAL)

Bei technischen Assistenzsystemen, häufig auch Ambient Assisted Living (AAL) genannt, schließen besagte Lösungen die technische Ausstattung der eigenen Räumlichkeiten ein, um gezielt die Pflege im häuslichen und privaten Umfeld zu vereinfachen. Hier zeigen sich Überschneidungen mit bewährten Smart-Home-Technologien, die Alltagserleichterung, Sicherheit und Vernetzung gewährleisten sollen. Auch hier werden nicht zuletzt Sensoren zur Messung, Analyse und Dokumentation des Patientenverhaltens genutzt, um durch Unregelmäßigkeiten akute Notfälle rechtzeitig zu erkennen und Angehörige rechtzeitig über jeweilige Endgeräte benachrichtigen zu können. Auch können auf Grundlage des gemessenen Verhaltens Rückschlüsse auf die Gesundheit gezogen werden.

Häufig sind sie modular aufgebaut, sie setzen sich also aus einzelnen Komponenten zusammen, die jeweils unterschiedliche Funktionen leisten. Im Vergleich zu digitalen Pflegeanwendungen fallen bei technischen Assistenzsystemen der Umfang der Funktionen wie auch der Unterstützungsmöglichkeiten höher aus. Wiederum sind die Anschaffungs- und Wartungskosten dementsprechend hoch.

Ein Foto eines Sensorbodens, der das Bewegungsmuster von Personen analysiert und im Notfall automatisch Hilfe ruft.

Beispiel für technische Assistenzsysteme: Sensorboden analysiert das Bewegungsmuster und ruft im Notfall automatisch Hilfe © Future-Shape GmbH

Der Einsatz von Monitoring, also einem digitalen Überblick der erfassten patientenbezogenen Daten gefolgt vom Einsatz kontaktloser Sensoren, haben bei technischen Assistenzsystemen eine besonders große und unabdingbare Rolle: Sensoren ermöglichen anhand des gemessenen Patientenverhaltens (zum Beispiel Bewegung) die Analyse und Dokumentation wie auch Erkennung oder Abschätzung von Verletzungen oder Notfällen und leisten zugleich die Kontaktaufnahme zu Angehörigen oder zu Notfalldiensten über die Verbindung zu Endgeräten. Zunehmende integrierte Spracherkennung erleichtert zudem die Steuerung und Bedienung von technischen Assistenzsystemen.

Viele Assistenzsysteme haben zudem eine Bandbreite an Meldesystemen; einzelne Bereiche des häuslichen Alltags können je nach System automatisiert werden. Inbegriffen sind unter anderem automatische Herdabschaltung, Wasseraustritt, Gegenstands- und Personenortung.

Ein Foto einzelner Komponenten, die die Gesamtheit eines technischen Assistenzsystems bilden. Die Komponenten sind in verschiedenen Räumen eines Hauses dargestellt.

Einzelne Komponenten bilden die Gesamtheit eines technischen Assistenzsystems © Buildtelligent GmbH

 

Einblicke in die Forschung

Ambitionen in der Forschung zum Feld der Digitalisierung in der Pflege lassen sich einerseits zunehmend im Ausbau der Automatisierung der technisch-digitalen Lösungen, andererseits im Ausbau kontaktloser Sensorik beobachten. Ferner nehmen der Einsatz von Apps und Robotik an Relevanz zu. Jedoch besteht grundsätzlich der Anspruch, neue potenzielle Lösungen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Pflege überschaubar und zugänglich zu machen, insbesondere im Hinblick auf Anwendung und Kostenfragen.

In vereinzelten Lösungsansätzen werden Versuche unternommen, für die Pflege nützliches Fachwissen für spezifische Pflegesituationen zugänglicher und vor allem dem technischen Standard von heute gegenüber kompakt zu gestalten.

Beispielhaft ist hier das Projekt des “Mobile Care Backup” (kurz: MoCaB), ein mobiles Assistenzsystem als App. Es wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert; neben der Johanniter-Notfall-Hilfe e.V. wirkten auch weitere Konsortialpartner bei dem Projekt mit. Mit vereinfachtem Zugang zu pflegerischem Beratungs- und Fachwissen soll es pflegende Angehörige bei der Organisation des eigenen Pflegealltags begleiten. Die Gestaltung einzelner Benutzeroberflächen in Dialog- bzw. Chatform soll dabei die Anwendung erleichtern und intuitiver machen. Schwerpunkte der Wissensdatenbank waren in diesem Fall Rechtsfragen und Sozialleistungen; externe und rechtliche Hilfestellungen; pflegerisches Handeln und Wissen wie auch psychologische Beratung.

Das Mobile Care Backup dient in diesem Zusammenhang lediglich als Beispiel; dahingehend vergleichbar sind jedwede appbasierte Anwendungen strukturiert und konzipiert.

Ein Screenshot einer Benutzeroberfläche des Mobile Care Backup.

Projektbeispiel: Benutzeroberfläche des Mobile Care Backup © MoCab, gefördert von dem Bundesministerium für Bildung und Forschung

In der Forschung erproben Institute und Einrichtungen zudem zunehmend Technologien des Ambient Assisted Living mithilfe von Testwohnungen bzw. Testregionen.

Die Testwohnungen unter dem Projekttitel “West-AAL” des AAL-Kompetenznetzwerkes stellen hierbei eines von vielen Beispielen dar. Hier wurden sämtliche AAL-Technologien in 70 Testhaushalten an der Praxis getestet, um so einer besseren Lebensqualität wie auch ein selbstbestimmtes Leben pflegebedürftiger Angehörigen für die Zukunft einen Schritt näher treten zu können. Einzelne Haushalte waren an stationäre Einrichtungen angebunden und wurden betreut. Unter den 72 Testpersonen wurden auch Lösungskonzepte mit Berücksichtigung auf 41 individuelle Anwendungsfälle entwickelt.

Besonderes Augenmerk fiel bei sämtlichen vorzufindenden Testregionen auf die Forschung und den Einsatz von innovativen Informations- und Kommunikationstechnologien.

Ein Foto einer Testwohnung des Projektes West-AAL im Raum Tirol/Vorarlberg, Österreich.

Projektbeispiel: Testwohnung des Projektes “West-AAL” im Raum Tirol/Vorarlberg © AAL Competence Network

Hinzu treten nunmehr kontaktlose Sensoriksysteme, die Sturzanalyse und automatisierten Notruf leisten und über Spracherkennung gesteuert werden. Sie werden unauffällig im Wohnraum eingebaut und bedürfen keiner weiteren aktiven Bedienung. Bei Sensorsystemen dieser Art erfolgt die Kommunikation mit Bezugspersonen jeweils über ein Hilfenetzwerk, in dem erreichbare Personen wie Angehörige, Pflegefachkräfte oder Nachbarn kontaktiert werden können.

Ein Foto des AAL-Projekts "sens@home". Es ist ein Beispiel für ein kontaktloses Sensorsystem mit Sturzerkennung und automatisiertem Notruf abgebildet.

Projektbeispiel: AAL-Projekt “sens@home” als Beispiel für ein kontaktloses Sensorsystem mit Sturzerkennung und automatisiertem Notruf © Fraunhofer-Gesellschaft

Geradezu innovativ agieren Institute und Forschungseinrichtungen im Einsatz gesonderter Robotik: Assistenzroboter können durch Feinmotorik, Stereokameras und Bewegungssensoren mit Menschen interagieren. Künstliche Intelligenz ermöglicht an diesem Punkt eine eigenständige Strukturierung von Aufgaben. Dennoch werden sie nach wie vor in der Regel über eine App oder Satelliten gesteuert.

Ein Bild eines Assistenzroboters, der Scherben zusammenfegt und einer Person im Haushalt hilft.

Beispiel für den Einsatz von Robotik: Assistenzroboter “Rollin’ Justin” © DLR

Im Sinne einer emotionalen Robotik können Pflegebedürftige zumindest auf sozialer und psychologischer Ebene begleitet und betreut werden. Gerade bei Angehörigen mit Demenz oder neurologischen Erkrankungen zeigt die emotionale Robotik eine beruhigende, therapeutische Wirkung.

Ein Bild einer Roboter-Robbe und ein Bild eines Pflegeroboters.

Beispiele für emotionale Robotik:

Abb. links: Roboter-Robbe “Paro”  © dpa / Picture Alliance / Stefan Puchner

Abb. rechts: Pflegeroboter “Pepper” © Picture Alliance / Jan Haas für Deutsches Ärzteblatt

In der Forschung lassen sich weitere Ansätze verzeichnen, in denen bewährte Mittel technisch-digital gestützt und erprobt werden. Hierunter fallen ohne weitere Befunde mehrere Ansätze, zum Beispiel:

  • Rollstuhl mit stützender Sensorik
  • selbstfahrender Rollator mit Kommunikationsfunktion
  • digitaler Tourenbegleiter mit Dokumentation und Verwaltungsfunktion über mobile Endgeräte