Warum die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege immer wichtiger wird

Die demographische Entwicklung ist eines der großen Themen unserer Zeit und wird uns auch in den kommenden Jahrzehnten vor eine Vielzahl an Herausforderungen stellen. Die Menschen werden immer älter, während die Geburtenzahlen stetig sinken. In der alternden Gesellschaft steigt damit auch die Anzahl der Pflegebedürftigen. In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland drastisch angestiegen: So lassen sich in Hessen 368.396 Pflegebedürftige in einen Pflegegrad einstufen.
312.579 (84,8 %) werden zuhause gepflegt zu Hause gepflegt. 55.758 (15,1 %) werden hingegen vollstationär versorgt (Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, 2022). Das entspreche nach dem Statistischem Landesamt in Wiesbaden einem Fünftel mehr als im Jahre 2019.

Diese Entwicklung führt zu einer veränderten Altersstruktur, die für Gesellschaft und Wirtschaft gleichermaßen bedeutend ist. Der wachsende Fachkräftemangel stellt zudem ein weiteres zukünftiges Problem dar, auf das Unternehmen reagieren müssen. In Teilen ist dieser auch auf mangelnde Vereinbarkeit zurückzuführen: Etwa ein Drittel der Personen, die der Doppelbelastung von Beruf und Pflege ausgesetzt sind, reduzieren ihre Erwerbstätigkeit.

Ältere Menschen sind gesünder und aktiver denn je

Bereits heute leben in Deutschland mehr über 65-Jährige als unter 3-Jährige. Die Zunahme der Lebenserwartung und die Ausdehnung der Altersphase sind grundsätzlich als Gewinn zu betrachten, denn der Großteil älterer Menschen ist gesünder, aktiver und mobiler als je zuvor. Mit der steigenden Zahl der älteren Menschen steigt aber auch die Zahl der Pflegebedürftigen und damit auch der pflegenden Angehörigen, die Beruf und Pflege miteinander in Einklang bringen müssen. Aufgrund der Pflegeverpflichtungen reduziert bereits ein Drittel in Deutschland ihre Erwerbstätigkeit. Auch fiel der mit Abstand größte Anteil an Pflegebedürftigen mit 83 % auf Menschen mit einem Alter von über 60 Jahren. Die Auswirkungen des demographischen Wandels zeichnen sich ebenfalls in veränderten sozialen und familiären Strukturen, z. B. der steigenden Zahl Alleinlebender, sowie bereits heute in vielen Branchen in einem zunehmenden Fachkräftebedarf ab.

 

Der demografische Wandel verändert die Gesellschaft

Im Jahr 2021 gab es in Deutschland 4,96 Millionen Pflegebedürftige. Dabei lag im Dezember 2019 die Anzahl der Pflegebedürftigen bei 4,13 Millionen. Davon sind mehr als die Hälfte, rund 1,7 Millionen 80 Jährige und älter, pflegebedürftig. Zukunftsorientiert lässt sich laut Prognose 2030 ein Anstieg von 5,5 % der Pflegebedürftigen feststellen. Bereits 2050 soll die Anzahl um 7,4 % steigen. Der Anteil von vollstationärer Pflege liegt in Deutschland bei 25,9 %, in Hessen lässt sich ein Anteil von 20,2 % feststellen.

Mit einer steigenden Anzahl von Pflegebedürftigen, sinkt mit anderen Worten auch die Anzahl der Erwerbstätigen. Da die zukünftige Bevölkerungsentwicklung schwer beeinflussbar ist, müssen Maßnahmen für die Folgen ergriffen werden, d.h. Erwerbstätigen muss die Möglichkeit geboten werden, ihr berufliches Leben mit der Pflege von pflegebedürftigen Angehörigen zu vereinbaren.

Schwindender Nachschub für den Arbeitsmarkt

Deutschlandweit verlassen vom Jahr 2010 bis zum Jahr 2030 rund 19 Millionen Erwerbspersonen den Arbeitsmarkt, lediglich rund 15,5 Millionen kommen neu hinzu, Zuwanderung eingerechnet. Arbeitgeber sind daher zukünftig verstärkt darauf angewiesen, die Potenziale der erfahrenen Fachkräfte nutzen zu können und sie an das Unternehmen zu binden.

Auch jüngere Beschäftigte betroffen

Aufgrund der demographischen Entwicklung betreffen Pflegeaufgaben immer mehr Beschäftigte - und nicht nur ältere Beschäftigte. Rund ein Drittel der Erwerbstätigen, die pflegen, ist jünger als 40 Jahre. Das „Kümmern“ um Eltern fällt dann häufig auch mit Kinderbetreuungsaufgaben zusammen. Pflegesituationen sind darüber hinaus unterschiedlich. Durch Unfall oder Krankheit können sie prinzipiell in jedem Alter relevant werden. Mehr als die Hälfte der Beschäftigten mit Pflegeaufgaben bleibt erwerbstätig: Nur ein Viertel gibt die Berufstätigkeit ganz auf, ein weiteres Viertel schränkt die Berufstätigkeit (vorübergehend) ein.

 

Pflege zuhause - in Hessen ein Thema

In Hessen wird die Pflege zum weit überwiegenden Teil von Angehörigen geleistet. Gut drei Viertel (75,2 %) aller Pflegebedürftigen, das sind 253.378 Menschen, werden derzeit zu Hause in ihrem vertrauten Umfeld versorgt, davon die große Mehrheit (71 %) ausschließlich durch Angehörige. 

Damit liegt Hessen knapp über dem Bundesdurchschnitt. In Deutschland werden rund 76 % der Pflegebedürftigen im Rahmen der häuslichen Pflege versorgt. Die Mehrzahl der Pflegebedürftigen sind Frauen.

Statistiken erfassen nicht alle Hilfebedürftigen

Die amtlichen Statistiken erfassen die von der gesetzlichen Pflegeversicherung anerkannten Pflegebedürftigen. Die Anzahl der Hilfebedürftigen in Privathaushalten ist, bezogen auf die bundesweiten Zahlen, etwa anderthalbmal so hoch. Angehörige erbringen Hilfe- und Unterstützungsleistungen bereits im Vorfeld einer Pflegestufe und über die Leistungen der Pflegeversicherung hinaus. Sie helfen beispielsweise im Haushalt, organisieren Pflege, unterstützen die Mobilität, erfüllen soziale Bedürfnisse und unterstützen oft finanziell.

Durchschnittlich fünf Stunden Pflege pro Tag

Pflege dauert im Durchschnitt 8,2 Jahre und erfordert im Durchschnitt 5 Stunden täglich. Im Gegensatz zu Kinderbetreuungsaufgaben ist Pflege weniger planbar, was die Dauer und den Verlauf betrifft. Zudem ist Pflege oft über Distanz zu leisten, weil Angehörige an einem anderen Ort leben.

(Quelle: Statistisches Bundesamt 2015)